"Zettel-Ewald" hat eine wichtige Botschaft: Ewald Lienen will sich den Fußball nicht kaputtmachen lassen. Nicht vom Kommerz, nicht von der Terminhatz und auch nicht von gierigen Verbänden und Funktionären. St. Paulis Technischer Direktor spricht vielen Fußballfans dabei ganz tief aus der Seele. Doch wie kann man die "teuflische" Entwicklung im Business Profi-Fußball aufhalten, wenn sie doch "ein Spiegelbild der Gesellschaft ist", wie Lienen richtig erkennt?
Ende 2014 kam Ewald Lienen zum FC St. Pauli, erst als Trainer, seit vergangenen Sommer als Technischer Direktor. Am Millerntor ist Lienen beim Kult-Klub längst zur Kult-Figur geworden. Der 64-Jährige und der einstige Weltpokalsieger-Besieger, das passt einfach wie die Faust aufs Auge.
Denn Lienen ist jemand, der kein Blatt vor den Mund nimmt, der für die "Kleinen" einsteht und als "Kind der Bundesliga" schon vieles erlebt hat. 333 Partien absolvierte er als Spieler im Oberhaus, gewann 1979 mit Borussia Mönchengladbach den UEFA-Cup. Die Szene, die allen Fußballfans in Erinnerung bleibt, wenn sie an den aktiven Lienen denken, ereignete sich aber gut zwei Jahre später: Nach einem Foul von Bremens
Ewald #Lienen macht sich nicht nur Gedanken über den @fcstpauli , sondern auch über den #Fussball an sich. Er kritisiert Terminhatz, Kommerz und Leistungsdruck: https://t.co/pCEBnzJOsr
— NDR Sport (@NDRsport) April 10, 2018
Die Entwicklung im Fußball als "teuflischer" Kreislauf
Doch wie kann das möglich sein - und warum ist der Profi-Fußball aus Sicht vieler zum Profit-Business verkommen? Die Gründe ergeben einen "teuflischen" Kreislauf, in dem die gesellschaftliche Entwicklung tatsächlich die ausschlaggebende Rolle spielen dürfte. Längst leben wir in einer globalen, profitorientierten Welt. Immer mehr Kommerz, immer mehr Gewinn lautet das allgemeingültige Credo in der freien Marktwirtschaft. Das wirkt sich selbstverständlich auch auf den Fußball aus. Seit es das Profitum gibt, spielen dabei finanzielle Aspekte zwangsläufig eine Rolle.
Doch als etwa Franz Beckenbauer in den 1970er Jahren von der KNORR-Suppe schwärmte, um sich ein paar Mark zusätzlich zu verdienen, wurde das noch schmunzelnd wahrgenommen. Die Spielergehälter waren damals noch in einem gesellschaftlichen Rahmen. Fan und Profi waren nicht Lichtjahre voneinander getrennt. Spätestens mit dem Bosman-Urteil erhielt diese Entwicklung eine neue Dimension: Seit 1990 dürfen Spieler nach Vertragsende ablösefrei wechseln.
Zur Folge hat das immer mehr vor allem eines: Langfristige Verträge existieren nur noch formal. Faktisch aber dienen sie mehr als Absicherung für die meisten Klubs, um einen Spieler gewinnbringend verkaufen zu können. Zeichnete die Stars der 1960er, 70er und 80er Jahre noch Vereinstreue aus, gleicht das moderne Fußball-Business einem Wanderzirkus.
Und hier liegt Problem Nummer zwei: Immer mehr Transfers bedeuten auch immer mehr Geld, das im Umlauf ist. Berateragenturen verdienen sich an Spielerwechseln, die teilweise zum Menschenhandel verkommen, eine goldene Nase. Gab es früher nur Spieler und Vereine, die an einem Transfer involviert waren, sind heute etliche Interessensgruppen involviert: Klub, Spieler, Berater, Firmen, für die der Profi als Werbeträger fungiert, Ausrüster oder etliche weitere "Teilhaber". Die steigenden Summen locken immer mehr Investoren an.
Hier schließt sich der "teuflische" Kreislauf: bei den Investoren. Die gibt es mittlerweile auch in einer Vielzahl auf Vereinsebene. In Deutschland wurde jüngst zwar für 50+1 gestimmt, Lienen nennt das aber "letztlich Augenwischerei". Investoren könnten auch ohne die Mehrheit über Klub-Belange entscheiden. Ähnlich wie
